Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Georg Cantor um 1900

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Historie

Georg Ferdinand Cantor

"... er gewann der Wissenschaft eine neue Domäne und bereitete zugleich durch seine Methoden neue Werkzeuge für die mathematische Forschung.“

Foto von 1894, aus der Serie der Professorenbilder der Universität Halle anlässlich des 300. Gründungstages der Universität

Foto von 1894, aus der Serie der Professorenbilder der Universität Halle anlässlich des 300. Gründungstages der Universität

Foto von 1894, aus der Serie der Professorenbilder der Universität Halle anlässlich des 300. Gründungstages der Universität

3. März 1845 Geburt in St. Petersburg

Studium der Mathematik an den Universitäten Zürich, Göttingen, Berlin (Vorlesungen u. a. bei K. Weierstrass, E. E. Kummer, L. Kronecker), Magisterexamen

1867 Promotion (bei Ernst E. Kummer) an der Universität Berlin:
„De aequationibus secundi gradus indeterminatis“

1869 Habilitation an der Universität Halle:
„De transformatione formarum ternarium quadri-carum“
(Gutachten von Eduard Heine)

1869–1913 an der Universität Halle tätig:
–  Privatdozent (bis 1872),
–  Extraordinarius (bis 1879),
–  Ordinarius (bis zu seiner Emeritierung 1913)

6. Januar 1918 Tod in Halle

„Was er … veröffentlichte, war … von höchster wissenschaftlicher Bedeutung. Dahin gehören zunächst seine Untersuchungen über die trigonometrischen, die sogenannten Fourierschen Reihen, deren Theorie er in wesentlichen Punkten vervollkommnete, dahin gehören vor allem seine Forschungen zur Mengenlehre, einer neuen mathematischen Disziplin, deren Grundlagen er … geschaffen hat, und die man als Mathematik des Unendlich-Großen bezeichnen kann. Bis dahin hatte in der Mathematik nur das werdende Unendliche Bürgerrecht gehabt, die Betrachtung veränderlicher Größen, die bei ihrer Änderung über alle Grenzen wachsen. Noch Gauß … verwarf ausdrücklich den Gebrauch einer unendlichen Größe als einer vollendeten. Es bedeutete daher einen gewaltigen Fortschritt, als es Cantor als erstem gelang, die Einführung von aktual unendlichen Größen (der Ausdruck „aktual unendlich“ rührt von ihm her) in die Arithmetik zu begründen. Er wurde darauf geführt durch Vergleichung der Menge der ganzen Zahlen mit der Menge aller Zahlen. ... So hat man zwei unendliche Mengen von Punkten, aber beide von ganz verschiedenem Inhalt. Wie kann man den Unterschied zwischen solchen verschiedenen Arten des Unendlich einer festen Begriffsbestimmung unterwerfen? Das war die Frage, die sich Cantor vorlegte und deren Beantwortung ihm durch Einführung des Begriffs der Mächtigkeit gelang. … Auf dieser Grundlage baute er die Mengenlehre auf. Es waren dabei neue Begriffe zu bilden, streng abzugrenzen und aus der Operation mit ihnen weitere und weitere Folgerungen zu ziehen, eine Arbeit die den größten Scharfsinn, hohe mathematische Schöpfergabe und rege Phantasie erforderte; alle diese Eigenschaften besaß Cantor. Er wurde so der Schöpfer eines ganz neuen Zweiges der Mathematik. …“
(Aus: Albert Wangerin: Georg Cantor, Leopoldina. Heft 54, 1918, S. 10–13)

Während seiner über 40 Jahre währenden Tätigkeit an der Universität Halle entwickelte Georg Cantor die Theorie unendlicher Mengen.

In seinen zahlreichen Publikationen und schriftlichen Dokumenten, speziell auch in seinem wissenschaftlichen Briefwechsel sowie seinen wissenschaftlichen Notizbüchern und Merkzetteln, soweit  erhalten geblieben,  spiegeln sich bis heute seine fundamentalen mathematischen Ideen ebenso wie sein unermüdliches Ringen um die neue mathematische Sichtweise und der von ihm zeitlebens intensiv gesuchte wissenschaftliche Austausch mit Mathematikern seiner Zeit wider.

Anfang eines Briefes von Richard Dedekind an Georg Cantor vom 22. Juni 1877
Im Besitz der Nachfahren Georg Cantors, wiss. Bearbeitung durch die Universität Halle mit freundlicher Genehmigung der Besitzer.

Anfang eines Briefes von Richard Dedekind an Georg Cantor vom 22. Juni 1877 Im Besitz der Nachfahren Georg Cantors, wiss. Bearbeitung durch die Universität Halle mit freundlicher Genehmigung der Besitzer.

Anfang eines Briefes von Richard Dedekind an Georg Cantor vom 22. Juni 1877
Im Besitz der Nachfahren Georg Cantors, wiss. Bearbeitung durch die Universität Halle mit freundlicher Genehmigung der Besitzer.

Richard Dedekind antwortet in diesem Brief auf einen Beweisvorschlag Cantors. Cantor schrieb am 20. Juni 1877 an Dedekind:

… Es handelt sich darum zu zeigen, daß Flächen, Körper, ja selbst stetige Gebilde von ρ Dimensionen sich eindeutig zuordnen lassen stetigen Linien, also Gebilden von nur einer Dimension, daß also Flächen, Körper, ja sogar Gebilde von ρ Dimensionen, dieselbe Mächtigkeit haben, wie Curven. … Diese Frage ist, obgleich ich jahrelang das Gegentheil für richtig gehalten habe, wie mir nun scheint, zu bejahen …

Auf die in Cantors Brief sich anschließende Konstruktion einer Abbildung, mit deren Hilfe Cantor die Gleichmächtigkeit nachzuweisen sucht, geht Dedekind in seiner Antwort vom 22. Juni 1877 ein  und zeigt, dass die von Cantor beschriebene Zuordnung nicht alle Werte aus dem Intervall [0,1] annimmt Dedekind begründet dies an einem Beispiel für ρ=2.

Dies ist der Beginn eine intensiven Austausches mit Dedekind zu dieser Problematik, der in mehreren Briefen im Juni und Juli 1877 seinen Niederschlag gefunden hat.  (Man vergleiche hierzu auch H. Meschkowski, W. Nilson: Georg Cantor, Briefe, Springer-Verlag 2004, S. 41 ff.) Es ist faszinierend, hier exemplarisch die Arbeitsweise Cantors, im Austausch mit einem herausragenden Mathematikerkollegen, miterleben zu können.

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